5. Oktober 2021
Das neue PARD NV007 S – genial oder daneben?
Das neue PARD NV007 S – genial oder daneben?
Liebe Kunden,
von unserem Kunden Steffen H. haben wir einen sehr schönen Praxisbericht erhalten, denen wir Ihnen natürlich gerne zur Verfügung stellen.
Vielen Dank an Steffen!
Das neue PARD NV007 S – genial oder daneben?
Was kann es? Wo geht es? Für wen ist es?
Was erwarten Sie von einem digitalen Nachtsicht-Nachsatzgerät? Und was erwarten Sie von einem Testbericht? Sie dürfen in beiden Fällen einiges erwarten, aber keine Wunder. Weil jedes Gerät seine Vor- und Nachteile hat. Und weil jede Erfahrung auch immer subjektiv ist. Deshalb mein Fazit schon vorweg: Mich hat das neue PARD NV007S überzeugt. Nicht in allem, aber unterm Strich. Warum, erkläre ich im Folgenden.
Auf das in Videos so beliebte Unboxing verzichte ich gerne und beschränke mich auf den Lieferumfang. Dasselbe gilt für nackte technische Daten und Messwerte. Was zählt, ist die Praxis. Und die kommt nach dem Auspacken und der Inbetriebnahme.
Es kommt, wie es kommen muss
Die Verpackung – eine schwarze Pappbox mit geprägter Oberfläche in einem Schuber – macht einen durchaus hochwertigen Eindruck und damit Hoffnung auf die Qualität des Geräts. Darin befinden sich das PARD NV007S, das Benutzerhandbuch, 1 Lithium-Ionen-Akku Typ 18650, ein Lade-/Datenkabel, der Adapter mit Distanzringen 1-2-3 mm, 2 Sechskantschlüssel, 2 O-Ringe (schwarz und rot) und 1 Rolle Klebeband. Dazu ein goldenes Säckchen für den Transport und ein großer schwarzer Stoffbeutel für was auch immer. Also alles drin, was man braucht.
Der für mein Swarowski Z6i 2. Generation erforderliche Adapter von Rusan kam natürlich separat.
Grüße aus China!
Das „Benutzerhandbuch“ ist eine Bedienungsanleitung, wie man sie sich nicht wünscht. Und wie sie heutzutage einfach nicht mehr sein darf. Im Großen und Ganzen sind die wichtigsten Einstellungen und Funktionen zwar anschaulich und verständlich erklärt, aber an vielen Stellen ist leider überdeutlich zu erkennen, dass die Übersetzung wohl über Google erfolgte und deren Ergebnis nicht überprüft wurde. Da hat der Importeur gespart und leider an der falschen Stelle. Rechtschreibfehler und holprige Satzbauten sind zahlreich, jedoch nicht entscheidend. Kritisch wird es bei Sätzen wie diesem:
„Dieses Produkt muss mit einem optischen Gerät mit Fokussierungsfunktion (mit AO-Fokus oder Seitenfokus) verwendet werden, da es sonst möglicherweise nicht richtig fokussierbar ist“.
Aha. Wer weiß, dass AO im Englischen für „adjustable optics“ steht und mit Seitenfokus die Parallaxeverstellung gemeint ist, kann damit etwas anfangen. Alle anderen erfahren erst in der Praxis, dass das PARD NV007S nur auf Optiken mit Parallaxeverstellung wirklich gut funktioniert. Ich habe das PARD auf einem ZF ohne Parallaxeverstellung getestet und das Ergebnis war – im Vergleich zu einem ZF mit – durchaus ernüchternd.
Da tröstet auch der Warnhinweis 5 nicht:
„Einige optische Geräte sind möglicherweise aufgrund der Gestaltung des Strahlengangs nicht, mit diesem Produkt verwendbar“.
Es wäre zu schön, wenn der Importeur sich durchgerungen hätte, diese Aussage zu präzisieren. So ist es einfach nur eine Aussage ohne verwertbaren Inhalt.
Immer wieder erheiternd ist die Formulierung „Drücken Sie die Taste „OK“, um die Unterseite aufzurufen …“. Gemeint ist das Menü. Gruß zurück nach China. Und es geht noch weiter. Die Informationen über das Aufnehmen von Videoschleifen (Loop Recording) geben lediglich die Länge der Schleifen an (1-3-5-10 min.) und wie man diese ein- bzw. ausschaltet, aber nicht, wie man die Schleife, zum Beispiel nach dem Schuss, anhält bzw. abspeichert. Dasselbe gilt für den Punkt „Automatische Aufnahme (Auto Recording). Aber das findet der Anwender durch Ausprobieren heraus. Was ebenso für das lustig in Deutsch und Englisch gemischte Menü gilt. Wer nicht Englisch versteht, muss eben jemanden fragen. So unterstützt das neue PARD NV007S gleichzeitig die Kommunikation in der Jägerschaft.
Die Inbetriebnahme ist einfach und auch gut erklärt, bis auf die etwas holprig formulierte Objektiveinstellung. Die ist aber entscheidend wichtig für die Qualität der Abbildung. Ohne eine präzise eingestellte Objektivfokussierung kann das angezeigte Bild deutlich schlechter bis unbrauchbar sein. Ich hatte diese Erfahrung schon beim ersten Modell des PARD NV007 gemacht. Da konnte ich zwei Hasen, die ich auf der Wärmebildkamera ca. 40 m vor mir sitzen sah, auf dem Monitor des PARD überhaupt nicht sehen. Die Überprüfung der Objektiveinstellung sollte vor jedem Gebrauch erfolgen, um die bestmögliche Abbildungsqualität sicherzustellen.
Mein Highlight im Benutzerhandbuch ist die Angabe, dass eine microSD-Karte mit maximal 128 GB verwendet werden kann. Das PARD akzeptiert aber maximal 32 GB. Wie sagte Rudi Carrell immer so schön: „Das wäre ihr Preis gewesen!“ Und warum der Deckel zum Kartenfach ausgerechnet an der Seite angeschlagen ist, wo die Karte sitzt, wird nur das Produktmanagement wissen. Auf der gegenüberliegenden Seite wäre der Deckel beim Einsetzen bzw. Entnehmen der SD-Karte nicht im Weg. So ist es etwas fummelig, aber man kann ja das Datenkabel verwenden.
Es könnte so schön sein …
Design umfasst viel mehr als nur eine gefällige Erscheinung. Insbesondere im Industriedesign heißt das Prinzip: Die Form folgt der Funktion. Beim PARD NV007S ist dies leider nur zum Teil der Fall. Schön ist es auf keinen Fall, aber interessant. An sich wäre die Form des PARD unwichtig, weil man es im Dunkeln sowieso nicht sieht. Aber es hat ganz praktische Defizite, weil man mit dem hoch aufragenden IR-Strahler leicht in der Kanzel oder im Gebüsch hängen bleibt. Tock – und weg ist die Sau. Dazu ist dieses Bauteil eine Sollbruchstelle, sollte die Waffe einmal mit aufgesetztem PARD umfallen oder über der Schulter in einer Drehung irgendwo einhaken. Dafür ist das neue PARD schön kurz gebaut und wiegt gefühlt nichts. Ein unschlagbarer Vorteil gegenüber Vorsatzgeräten, die locker ein Kilogramm wiegen. Der für mich entscheidende Vorteil des PARD aber ist eindeutig die Montage als Nachsatzgerät, wodurch sowohl das Einschießen als auch jede Veränderung der Trefferlage durch das Nachtsichtgerät entfällt. Das gibt Sicherheit mit dem Finger am Abzug, während zumindest ich bei Vorsatzgeräten immer im Zweifel bin, ob sich die Einstellung nicht eventuell durch Anstoßen etc. verändert haben könnte. Die dauerhaft am Zielfernrohr montierten Adapter stören mich auch. Womit wir beim nächsten Thema angekommen sind.
Sitz, passt und wackelt.
Ein Adapter soll eine festsitzende und zuverlässige Verbindung zwischen Optik und Nachtsichtgerät herstellen. Wenn es mit der mechanischen Präzision bei der Herstellung mal nicht so genau klappt, dann klappert es. Um dem entgegenzuwirken, bringt das PARD serienmäßig zwei O-Ringe in unterschiedlichen Stärken mit. Sollten Adapter und PARD spielfrei passen, braucht man sie nicht.
Wenn es wackelt, muss ein O-Ring am PARD in eine Nut direkt vorm Gehäuse eingesetzt werden. Dann ist die Verbindung absolut einwandfrei. Einziges Problem(chen) kann sein, dass, wenn man das PARD an verschiedenen Adaptern einsetzt, der O-Ring für unterschiedliche Adapter entweder zu dünn oder zu dick sein kann. Bei mir passte der serienmäßige Adapter ohne O-Ring spielfrei. Für den Rusan am Swarovski Z6i brauchte ich den dickeren, roten O-Ring. Mit dem wird es dann aber am Serienadapter eng. Mit etwas Nachdruck geht es, aber wie lange der O-Ring dieses Spiel mitmacht, wird sich zeigen. Besser wäre es, der O-Ring würde adapterseitig sitzen. Und Vorsicht! Sitzt der O-Ring erstmal drin, ist er nur mit Geschick unbeschädigt zu entfernen. Keine Nadel, Messer oder Schraubendreher verwenden. Den O-Ring einfach mit dem Fingernagel in der Nut etwas schieben, bis er eine kleine Schlaufe schlägt, Dann fassen und abziehen. Dabei aufpassen, dass der O-Ring nicht vom Verschlussriegel des PARD beschädigt wird.
Ich seh´ dich!
Was das PARD auf dem Monitor und auf Fotos und Videos abbildet, hat mich überzeugt. Von einem digitalen Nachtsichtgerät darf man (noch) nicht die Abbildungsqualität eines Top-Röhrengeräts erwarten. Die kosten dann auch das 4-5-Fache. Die Fotos zeigen erkennbar, dass man mit der Abbildungsqualität des neuen PARD die Umgebung wie auch das Wild gut erkennt. Vorausgesetzt, man hat die Objektiveinstellung korrekt durchgeführt. Ich konnte mit dem PARD im Wald und im Feld bis auf über 150 m arbeiten. Wie weit ein Jäger damit tatsächlich schießen will, liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen. Bis 100 m ist es gar kein Problem, sage ich. Im Feld allemal. Im Wald wohl nur, wenn man den Platz gut kennt und weiß, wo feines Geäst im Weg ist. Dieses kann man mit dem PARD bis auf 50 m ziemlich sicher erkennen, darüber hinaus wird es sportlich. So ein kleiner Monitor ist eben kein 65-Zoll-Fernseher mit 4K-Auflösung. Im Revier konnte ich gut bis auf etwa 250 m sehen und erkennen. Aber das sind dann nur noch Silhouetten. Auf 20-25 m kann man beim Dachs die Borsten zählen. Leider kann ich diese Behauptung nicht mit Bild belegen, weil ich da noch die SD-Karte mit 128 GB eingesetzt hatte. Und die ignoriert das PARD, wie gesagt.
(Sauen auf gut 80m mit Frischlingen)
Das PARD sollte nur auf Optiken mit maximal 3-facher Vergrößerung eingesetzt werden. Darüber hinaus leidet die Bildqualität enorm. Immerhin verfügt das PARD über einen integrierten Zoom bis 3,5-fach. Bis 2-fach konnte ich das Zoom des PARD noch sinnvoll einsetzen, darüber hinaus werden die Pixel zu groß und das Bild unkenntlich. Dies bei der Mindestvergrößerung von 2,5 auf den beiden verwendeten Zielfernrohren. Als ich einem befreundeten Jäger das neue PARD zeigte und auf seinem alten ZF 6×42 montierte, wurde deutlich, dass man damit nichts anfangen kann.
Über die IR-Stufen kann man das PARD an die jeweilige Lichtsituation anpassen. Auf Stufe 1 habe ich allerdings bestenfalls bei Tageslicht etwas sehen können. Stufe 2 ist oft richtig, die höchste Stufe ist bei stockdunkler Nacht und auf größere Entfernungen richtig. Auf kürzere Distanz gibt es sonst Überstrahlungen. Der IR-Strahler erinnerte mich anfangs an Technik aus dem Kinderbaukasten, weil man dessen Fokussierung durch einfaches Schieben verstellen kann. Aber das funktioniert prima und man kann den IR-Strahl sogar in der Richtung verstellen, indem man das Spiel am Schiebestück einfach gezielt einsetzt, um den Strahl nach oben/unten oder zur Seite auszurichten. Das kann beim PARD mit 850 nm bei empfindlichem Wild helfen. Ich habe mehrfach erlebt, dass Rehe und Sauen auf den IR reagierten, also zumindest etwas registriert haben und aufmerksam in meine Richtung schauten. Fluchtreaktionen hatte ich dabei allerdings keine. Selbst eine sehr nervöse führende Bache tolerierte den IR-Strahl, wenn auch erkennbar mit Blick in meine Richtung. Als sinnvolles Zubehör könnte ein zusätzlicher Strahler mit 940 nm sein. Dafür verfügt das PARD über eine kurze Weaver/Picatinny-Schiene am IR-Strahler. Daran können auch deutlich leistungsstärkere Strahler Platz finden und die Reichweite und Einsatzmöglichkeiten des PARD deutlich erweitern.
(Waldkante 100m mit IR Stufe 2)
Bei digitalen Nachtsichtgeräten kann es bei schneller Bewegung zu einem Schleiern des Bildes kommen. Dies hatte mich seinerzeit vom Erwerb eines dem PARD sehr ähnlichen Wettbewerbsmodell abgehalten. Vom PARD NV007 A kannte ich es sowieso. Beim neuen PARD NV007S habe ich ein Schleiern nur äußerst selten und immer nur für einen kurzen Augenblick erfahren. So, dass es weder stört noch den Jagderfolg beeinträchtigt.
Und sonst?
Ob das PARD eingeschaltet ist, zeigt eine blaue Kontrollleuchte. Warum ausgerechnet in Blau – der Farbe, die das Wild am besten wahrnimmt, zumindest Schalenwild. So eine LED gibt es doch auch in Grün oder Rot. Und warum so hell, dass das Gesicht des Jägers ausgeleuchtet wird. Hat vermutlich niemand in der Entwicklung dran gedacht. Da sollte man beim Hersteller vielleicht mal mit Jägern sprechen. Es bringt auch wenig, das PARD anstatt in den Stand-By-Modus ganz auszuschalten, weil es nach dem Einschalten eben wieder blau leuchtet. Zum Glück gibt es schwarzes Klebeband. Leider strahlt auch der Monitor selbst in der dunkelsten Einstellung deutlich auf das Gesicht des Jägers, weshalb der enge Kontakt zur Augenmuschel eigentlich unverzichtbar ist. Da ich Kaliber .308 Win mit Schalldämpfer schieße, ist das kein Problem. Der Rückstoß entfällt praktisch komplett. Sollte aber auch bei 30-06 oder dem maximal vom Hersteller freigegebenen Kaliber 8×57 ohne „blaues Auge“ funktionieren. Ich schalte das PARD meist erst an, wenn ich mit dem Auge an der Okularmuschel bin. Das klappt wunderbar, weil das PARD blitzschnell startet. Von ausgeschaltet auf betriebsbereit dauert es keine 2 Sekunden. Aus dem Stand-by nur einen Wimpernschlag. Das verlängert zudem die Akkustandzeit. Mit dem zum Lieferumfang gehörenden Akku 18650 waren so Ansitze von 4-6 Stunden kein Problem. Dennoch kann es nie schaden, einen geladenen Ersatzakku mitzuführen. Oder eine Powerbank. Die Abmessungen von Akkus können variieren und manche passen nicht gut in das Batteriefach des PARD. Aber selbst, wenn vom Schraubdeckel ein paar Windungen frei bleiben, funktionierten die Akkus problemlos. Beim Kauf von Akkus am besten vor Ort ausprobieren.
Oft werden Bedienelemente als intuitiv bezeichnet, also selbsterklärend. Beim neuen PARD NV007 S ist es aufgrund der vielen Menüoptionen nicht möglich, diese lediglich über ein paar wenige Icons abzubilden. Aber die Tasten, die Bedienbarkeit und die Menüführung sind frei von jeder Kritik. Nach kurzem Studium des Benutzerhandbuchs (echter Lesespaß, wie bereits gesagt) und ein paar Trockenübungen sind die wichtigen Funktionen in Routine übergegangen.
Ende gut? Alles gut!
Jeder Test braucht ein Fazit. Meines ist: Das neue PARD NV007 S hat mich in fast jeder Hinsicht überzeugt. Die angeführten Kritikpunkte sind überwiegend keine wirklichen Nachteile, sondern erkanntes Verbesserungspotenzial. Das Preis-/Leistungsverhältnis ist überragend. Für mich ist die Abbildungsleistung des neuen PARD in jeder Hinsicht mehr als ausreichend. Hinzu kommen ein grandios niedriges Gewicht, ungeschlagen kompakte Abmessungen und die einfache, weitgehend irrtumsfreie Bedienbarkeit. Natürlich gibt es leistungsstärkere Geräte, aber diese nur zu ganz anderen Preisen. Mehr geht bekanntlich immer. Wer sich nicht die Jahrespacht inklusive Wildschaden hinter seine Optik setzen will, ist mit dem PARD bestens bedient. Grenzen setzt unter Umständen das geführte Kaliber. Über 8×57 geht nichts mehr mit dem PARD. Wer Befürchtungen bezüglich des Rückschlags hat, dem sei ein Schalldämpfer wärmstens ans Herz gelegt. Wer einmal mit SD geschossen hat, wird es ohnehin kaum wieder ohne wollen. Genauso sehe ich es mit dem PARD. Mein digitales Vorsatzgerät hat ausgedient, obwohl es eine etwas bessere Bildqualität bietet. Im Gegenzug erhalte ich mit dem PARD das gute Gefühl, genau dahin zu schießen, wohin ich ziele. Und das immer und immer wieder. Waidmannsheil!
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Bisherige Kommentare
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Wolfgang Viehbeck schrieb am 2. September 2024
3.75 H&H geht gut mit dem pard 007s und dank der weichen Okularmuschel gibt's auch keine weiteren cuts über dem Auge